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Die aufregende Reise auf der Weltkarte

Letztes Jahr erlebte ich bei einem Workshop in der Weltwerkstatt etwas Besonderes. In meiner Gruppe waren drei neu angekommene, geflüchtete Kinder. Ein Junge war größer und älter als die anderen Kinder. Er konnte noch kaum Deutsch sprechen und ich bemerkte in seinen schüchternen Augen, dass es für ihn sehr unangenehm war. Die Lehrerin hatte mir mitgeteilt, dass dieses Kind wahrscheinlich nichts verstehen könnte. Ich bereitete eine Aktivität auf einer riesigen Weltkarte vor. Die Weltkarte ist so groß, dass man auf ihr laufen kann. Auf dieser Weltkarte sollten die Kinder ihr Herkunftsland finden, um die Gruppe auf „eine kleine Reise“ von Deutschland zum jeweiligen Land einzuladen. Dabei haben wir den Unterschied zwischen Stadt, Land und Kontinent gelernt und geübt. Als der Moment für das große Kind kam, sagten einige Kinder der Gruppe zu mir, dass er kein Deutsch könnte und dass wir mit einem anderen Kind weiter machen sollten. Ich bemerkte jedoch, dass er bei den anderen Kindern mitgemacht hatte. Ich schaute ihn an, sagte seinen Vornamen und erklärte ihm, was zu tun war. Ich konnte in seinen großen Augen ein bisschen Angst, aber gleichzeitig Freude sehen. Mein Herz war unruhig. Ich wollte nicht, dass er vor der Klasse als „unfähig“ betrachtet wurde, war mir aber auch nicht sicher, ob er mich tatsächlich verstanden hatte. Das waren Sekunden und ich musste entscheiden, denn die Gruppe war schon ungeduldig und gespannt auf eine neue Reise. Er schaute mich an und nickte mit dem Kopf. Die Klasse war still. Es gab keine Geräusche. Alle schauten auf ihn. Mein Herz wollte herausspringen, aber ich lächelte ihn an und er lächelte zurück. Und dann, wie durch ein Wunder, hat er uns alle zu seinem Land, nach Syrien, auf der Karte gebracht. Alle Kinder waren überrascht, sogar die Lehrerin. Und plötzlich waren wir alle überglücklich, dass er das machen konnte! Wir haben einen Kreis um ihn herum gemacht, einige Kinder haben applaudiert und dann haben wir ihn umarmt. Das haben wir spontan gemacht und es war ein so schönes Gefühl. Danach haben die Kinder mit Freude Bilder in einem kooperativen Verfahren gemalt.
Als der Workshop beendet war, sagte der Junge leise „Danke“ zu mir. Als ich zu Hause war, voller Gefühle und Freude, habe ich verstanden, dass sich in diesem Kind meine eigene Geschichte gespiegelt hat. Ich weiß genau, wie es ist, fremd und neu in einem Land zu sein, in dem man die Sprache nicht beherrscht. Ich weiß wie peinlich es sein kann, wenn man etwas richtig versteht, aber nicht die Worte hat, um zu antworten. Ich weiß, wie schwierig es ist, das Gefühl zu haben, dass die anderen eher „Defizite“ an dir sehen und nicht die Potenziale.
Ich habe verstanden, dass ich diejenige war, die sich bedanken musste. Ich liebe meine Arbeit als Bildungsreferentin, weil ich dieses Wunder des Vertrauens auf die Potenziale und Selbstverwirklichung der Menschen immer wieder erlebe!
Rocío Rueda Ortiz, Referentin im Programm „Bildung trifft Entwicklung“